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Europäischer Gerichtshof: Türkei hat ein systemisches Problem und muss handeln

Das Urteil des EGMR ist ein klares Zeichen gegen ungerechte Verurteilungen von tausenden türkischen Staatsbürgern, die fälschlicherweise wegen angeblicher Verwendung von Verschlüsselungsanwendungen wie ByLock der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation beschuldigt wurden.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat über die Klage von Yüksel Yalçınkaya, einem Lehrer, der zu 6 Jahren Haft verurteilt wurde, entschieden und ihm Recht gegeben. Das Urteil wird sowohl für die 8500 Klagen, die vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig sind, als auch für die mehr als 200 000 Fälle, die vor den türkischen Gerichten sind, beispielhaft sein.

Tausende türkische StaatsbürgerInnen wurden von türkischen Gerichten zu Unrecht der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation beschuldigt und verurteilt, weil ihnen vorgeworfen wurde, eine Verschlüsselungsanwendung (ByLock) verwendet zu haben. Diesen ungerechten Verurteilungen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nun widersprochen.

In seiner Entscheidung am 26. September 2023 stellte die Große Kammer des EGMR fest, dass die Verurteilung von Yalçınkaya durch türkische Gerichte aufgrund von Aktivitäten wie der Nutzung einer Mobilanwendung oder dem Besitz eines Kontos bei einer bestimmten Bank rechtswidrig war. Diese historische Entscheidung könnte sich als Meilenstein erweisen und Tausenden von Menschen in der Türkei Hoffnung geben, die ähnlichen Anklagen gegenüberstehen.

Das Gericht hat in seinem Urteil festgestellt, dass die türkische Justiz derzeit nicht ordnungsgemäß funktioniert und ein systemisches Problem hat- Die Türkei wird aufgefordert, diese Probleme anzugehen: Die Entscheidung basiert auf Artikel 46 der EMRK, der über die Bereitstellung von Abhilfe für eine Einzelperson hinausgeht und dem reagierenden Staat die rechtliche Verpflichtung auferlegt, das Fehlverhalten zu beenden und Wiedergutmachung für dessen Folgen zu leisten.

Der EGMR rügte die Türkei aufgrund von Verstößen gegen drei Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK): Artikel 6, der das Recht auf ein faires Verfahren betrifft; Artikel 7, der besagt, dass keine Strafe ohne Gesetz verhängt werden darf; und Artikel 11, der die Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit betrifft.

Nach dem Putschversuch akzeptierte die türkische Regierung solche Aktivitäten wie das Besitzen eines Kontos bei der mittlerweile geschlossenen Bank Asya, einer der größten kommerziellen Banken der Türkei zu dieser Zeit; die Verwendung der verschlüsselten ByLock-Nachrichten-App, die im Apple App Store und bei Google Play erhältlich war; und das Abonnieren der Zeitung Zaman oder anderer Publikationen, die mit Mitgliedern der Bewegung in Verbindung standen, als Maßstäbe zur Identifizierung und Festnahme mutmaßlicher Anhänger einer terroristischen Organisation gleich.

Das Erdogan-Regime hat eine Lynch-Justiz errichtet, die es ihm erlaubte, jede Person mit solchen willkürlichen ,,Beweisen“ des Terrors zu bezichtigen und anzuklagen- der Europäische Gerichtshof hat nun auf höchster Ebene bestätigt, dass dies nichts mit einem Rechtsstaat zu tun hat.

Aktuell gibt es etwa 8.500 türkische Klagen, die vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig sind und sich ausschließlich auf diese spezielle Anwendung beziehen. Unter diesen zahlreichen Klagen hat das Gericht nun eine ausgewählt und als Beispiel behandelt. In diesem Fall handelt es sich um einen türkischen Lehrer, der im Jahr 2016 nach dem Putschversuch inhaftiert wurde und 2017 wegen angeblicher Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung zu einer Haftstrafe von etwas über sechs Jahren verurteilt wurde. Eine entscheidende Grundlage für seine Verurteilung war der Vorwurf, er habe die ByLock-App verwendet.

ExpertInnen sind der Meinung, dass das Urteil Auswirkungen auf die Verurteilung oder den Prozess Tausender Menschen haben sollte, die wegen ihrer angeblichen Verbindung zur Gülen-Bewegung angeklagt sind.

Dieses wegweisende Urteil des EGMR hat das Potenzial, die Lage für Hunderttausende von Menschen, die fälschlicherweise wegen ihrer angeblichen Verbindung zur Gülen-Bewegung angeklagt wurden, zu verbessern. Es sendet ein klares Signal an die Türkei und fordert sie auf, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um die strukturellen Probleme im Justizsystem anzugehen und die grundlegenden Menschenrechte ihrer Bürger zu schützen.

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