Das Projekt „die Bilder, die lügen“ wurde am 11.Dezember 2021 am Samstag in Bochum veranstaltet. Im Rahmen des Projekts wurden den Teilnehmer:innen der historische Prozess der Manipulation mit Bildern, die Verwendung der Fotos als Manipulationsmittel und die Grenzen der Kritik in demokratischen Gesellschaften präsentiert.
Der erfahrene Journalist und Fotograf Selahattin Sevi erwähnte die Wichtigkeit den historischen Prozess der Manipulation in den Fotos und definierte die Manipulation mit diesen Wörtern: „Die allgemeine Bezeichnung der Eingriffe in das Foto, die die Definition und Bedeutung des Fotos verändern, wird Manipulation im Foto genannt.“
Sevi betonte den Abstieg der Zahl der freiberuflichen Journalist:innen auf der Welt und erklärte, dass dies die Manipulation in den authoritären Regimen erleichtert. „Als er noch Ministerpräsident war, fiel Recep Tayyip Erdogan vom Pferd. Das konnte aber nicht der Fotograf des Premierministers aufnehmen. Anadolu Ajansi, was damals mit Ministerpräsidium verbunden war, veröffentlichte dies. Dadurch sahen die Menschen eigentlich das Foto. Ich denke, dies sind die besten Beispiele zu verstehen, wo wir in 20 Jahren erreichten. Wenn es anders gewesen wäre, hätten wir diese Fotos vielleicht nie gesehen“ sagte Sevi.
„STALINS FOTOS“
Sevi erzählte wie Stalin die Dissident:innen entfernte, damit er eigene Diktatur gründen könnte.
Sevi erklärte als Manipulationsbeispiel, wie Stalin viele Dissident:innen für seine eigene Herrschaft unterdrückte und eliminierte. Er zeigte auch wie Stalin Antipov von den Fotos entfernte, nachdem er Antipov, mit dem er 1936 in Leningrad gemeinsam posierte, als politischer Gegner eliminiert hat.
Auf einem anderen Foto teilte Sevi die Information mit, dass Stalin sogar Lenins Kundgebungsfoto manipulierte und dass später in den Veranstaltungen dieses Foto verwendet wurde. Er betonte auch die Rolle von Medieninstitutionen bei der Verbreitung manipulierter Informationen.
Sevi nahm auf die Wirkung der ideologischer Zugehörigkeit Bezug. Das war bekannt, dass das Foto manipuliert wurde, aber die Stalin-Anhänger glaubten trotzdem alles was Stalin sagte. So hilft die Verwendung von Fotos Diktatoren, eine visuelle Geschichte zu konstruieren.
Manipulation ist nicht nur für die Diktatoren
Manipulation wird nicht nur für die Diktatoren und autoritären Regimes verwendet, sondern auch für die Verehrung von Einzelpersonen, sagte Sevi.
Als Beispiel wurde auch das Foto von Abraham Lincoln, 16. US-Präsidenten gezeigt. Sevi teilte mit, dass das Foto tatsächlich manipuliert und Lincolns Kopf auf den Oberkörper eines anderen Politikers, John Calhoun gelegt wurde.
Für den Diktator sind die „Anderen“ unwichtig
Als Beispiele wurden die Diktatoren in der Geschichte gegeben. Sevi sagte: „Diktatoren sehen die Menschen um sie herum eigentlich als nutzlose Menschen an“ und erzählte als Manipulationsbeispiel wie Hitler seinen Propagandaminister Goebbels von Fotos entfernte.
„Der Diktator kann selbst den engsten Mann vom Foto entfernen, wenn er sich über etwas aufregt oder denkt, dass diese Person die Atmosphäre stört. Es könnte Goebbels, ein Pferdpfleger oder ein Dissident sein, mit dem er nicht einverstanden war. Es zeigt uns, dass solche Menschen Fotos filtern, selbst wenn sie eine kritische Zeit wie einen Krieg durchmachen“ sagte Sevi.
„Manipulation ist jetzt einfacher“
Journalist Fatih Akalan erzählte mit Beispielen aus der Türkei und Syrien wie die autoritären Regimes heute die Manipulation verwenden. Unter Bezugnahme auf die von internationalen Institutionen veröffentlichten Berichte sagte Akalan, dass die Situation für Medienschaffende in diesen Ländern tatsächlich schlimmer sei, dass jedoch aufgrund geschlossener Regime keine klaren Informationen erreicht werden könnten.
„Es ist jetzt für die Regierung einfacher, die Presse zu nutzen, um die Öffentlichkeit zu manipulieren, weil die meisten oppositionellen Journalist:innen im Gefängnis sitzen. Andere entscheiden sich automatisch dafür, zu schweigen oder ihren Beruf zu wechseln, um nicht ins Gefängnis zu kommen“ sagte Akalan.
Akalan machte in seiner Präsentation auf die Struktur der bestehenden Medien aufmerksam, teilte die Information mit, dass 40 Medienorganisationen in der Türkei 95 Prozent der bestehenden Medien kontrollieren, und wies darauf hin, dass die meisten von ihnen dem AKP-Regime nahestehende seien.
Akalan zeigte besonders in seiner Präsentation die Geschäftsleute, die mit Regierung zusammenarbeiten und wie sie Medien durch Korruption bei Bauausschreibungen finanzieren.
„Terrorist, Verräter, Spion!“ Diskurs
Akalan erklärte, dass die Regierung in der Türkei zwei verschiedene Strukturen zur Kontrolle der sozialen Medien schuf, und erwähnte, dass insbesondere die Kommunikationsabteilung der Präsidentschaft die Polarisierung der Öffentlichkeit bezweckt. Er sagte, dass der Diskurs „Terrorist, Verräter, Spion“ vor allem für diejenigen, die diesen Zweck kritisieren verwendet werden.
„Das bescheidene Fastenbrechen“
Fatih Akalan verwendete den Besuch von Emine Erdogan beim fürs Fastenbrechen. Er sagte, dass auf dem Foto der Zeitpunkt des Besuchs tatsächlich lange vor dem Fastenbrechen war, der Esstisch von den Kameras aufgenommen aber nach der Fastenbrechen-Zeit veröffentlicht wurde. Laut Akalan wurde es so gemacht, damit alles bescheiden aussehen kann.
Für ein weiteres Beispiel wurde das Gespräch von Recep Tayyip Erdogan bei der UN-Generalversammlung verwendet.
Akalan wies darauf hin, dass es sich bei der Nachricht der regierungsnahen Medien mit der Schlagzeile „Er schrie in ihre Gesichter“ tatsächlich um Erdogans Rede vor dem leeren Saal handelte, und sagte, dass Erdogan auf dem mit der Montage vorbereiteten Foto so gezeigt wurde, als wäre er vor einem vollen Saal sprechen.
„Medien entwickeln das kollektive Bewusstsein“
Der Politologe und Pädagoge Dirk Schmidt erzählte in seiner Präsentation über die Wirkung der von den Medien gezeigten Fotos auf die Wahrnehmung der Gesellschaft.
Dirk Schmidt gab in seiner Präsentation Beispiele dafür, wie durch das Zeigen verschiedener Teile desselben Fotos Wahrnehmung erzeugt werden kann.
Besonders betonte Schmidt, dass Diktatoren ihre Vergangenheit durch die Manipulation von Fotos neu schreiben. Schmidt stellte fest, dass die Erinnerung an ein Ereignis mit bestimmten Bildern, die in Gedächtnissen eingraviert sind, auch die Bildung sozialer Erinnerungen hilft.
Dirk Schmidt unterstrich auch, dass die Bedeutung der Pressefreiheit in demokratischen Gesellschaften durch Gesetze bestimmt wird und tauschte sich mit den Teilnehmern darüber aus, was in den Geltungsbereich der Pressefreiheit aufgenommen werden sollte.
Schmidt betonte, dass ein:e Journalist:in nicht das Recht habe, alles zu tun, und wies auf die Notwendigkeit hin, die Begriffe Presse- und Meinungsfreiheit, persönliche Würde und Kunstfreiheit zu diskutieren.
Nach den Präsentationen tauschten sich die Teilnehmer:innen über Projekte aus, die gemeinsam organisiert werden könnten.