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Das Verschwinden der aramäischen Sprache zu verhindern, ist eine der Hauptaufgaben der Medien

Yawsef Beth Turo ist einer der ersten, die einem in den Sinn kommen, wenn man an aramäisch-sprachige Medien denkt. Er wurde 1975 als Sohn eines Vaters aus Siirt und einer Mutter aus Midyat geboren. Er verbrachte seine Kindheit und Jugend in Mardin. Nach Abschluss seiner Grund- und Sekundarschulausbildung ging er zum weiteren Studium ins Kloster Deyrulzafaran in Mardin. Während seiner Zeit auf der Mittelschule wurde er diskriminiert. Aufgrund des Drucks und der Beleidigungen, denen er ausgesetzt war, geriet seine Schulausbildung ins Stocken, er verlies die Schule und begann im Kloster zu studieren.

Man schrieb das Jahr 1993, als sich im Leben Beht Turos radikale Veränderungen vollzogen. Tausende Suryoye entschieden sich wegen der Unterdrückung, der sie aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit und ihres Glaubens ausgesetzt waren, nach Europa auszuwandern. Auch Yawsef Beth Turo schloss sich dieser Karawane an; sein Wohnort sollte fortan in den Niederlanden sein.

1996 startete er seine Medienkarriere. In jenen Jahren begannen die in Belgien ansässigen kurdischen Fernsehsender Med TV, Medya TV und später Roj TV, auch aramäischsprachige Sendungen auszustrahlen. Beht Turo übt seinen Beruf nun seit einem Vierteljahrhundert aus.

Yawsef Beth Turo, der maßgeblich zur Gründung aramäischer Medien beigetragen hat, gehörte 1999 zu den Gründern der Bahro Production Foundation in den Niederlanden. Er ist einer der Gründer von Suroyo TV, dem ersten aramäischen Sender, der 2004 auf Sendung ging. Neben der finanziellen Unterstützung beim Aufbau des Senders spielte er eine wichtige Rolle bei der Ausbildung der Mitarbeiter. In gewisser Weise war er ihr Lehrer.

Er lernte die in vielen Ländern verstreut lebenden Suryoye näher kennen und gestaltete gemeinsam mit ihnen Sendungen. Er bereitete Dutzende von Seminaren, Konferenzen und Fernsehsendungen über den Völkermord von 1915 vor und moderierte sie.

Das Gleiche gilt auch für Dokumentarfilme wie „1915 Sayfo“, „The Cry Unheard“, „Suryoye in Nederland“ und „Sayfo 1915 u Mrodo“. Neben seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied des Senders war er beispielsweise als Leiter des Nachrichtenzentrums und als Redakteur politischer Sendungen aktiv. Beth Turo moderiert immer noch Sendungen zu aktuellen Themen auf Suroyo TV, das aus Södertälje, Schweden, sendet.

In welchen Ländern Europas leben die meisten Suryoye? Wie sind ihre Beziehungen zueinander? Gibt es eine gemein- same Dachorganisation?

In Europa gibt es heute eine aramäische Diaspora mit einer Bevölkerung von fast einer halben Million Menschen. Die Suryoye, auch als Assyrer, Aramäer oder Chaldäer bekannt, gehören verschiedenen Kirchen an, darunter der orthodoxen, katholischen und protestantischen. Aber die meisten sind mit der orthodoxen Kirche verbunden, die dem in Damaskus ansässigen Patriarchat untersteht. Suryoye leben in Ländern wie den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Österreich und der Schweiz, hauptsächlich aber in Deutschland und in Schweden. Sie versu- chen, sich in die Gesellschaft zu integrieren und haben in den Ländern, in denen sie leben, etwa 160 Kirchen und 120 Vereine und Verbände gegründet. Die Suryoye sehen sich als Teil des Landes, in dem sie leben, weil sie Christen sind.

Die Beziehungen der Suryoye untereinander finden hauptsächlich unter dem Dach von Kirchen und Verbänden statt. Sie versuchen zusammenzukommen und ihre soziokulturellen, religiösen und nationalen Traditionen zu bewahren, indem sie Aktivitäten und Feste organisieren.

Man kann von einer Reihe von Dachorganisationen in Europa sprechen. Das sind meist Verbände, Konföderationen und Gewerkschaften. Ihr Verhältnis zueinander ist sehr gut. Gerade was das Heimatgefühl betrifft schweißen solche Einrichtungen die Menschen zusammen.

Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an aramäische Medien denken? Warum brauchten Sie die Medien?

Es fallen einem Fernsehen, Radio, Social-Media-Kanäle und verschiedene Online-Plattformen ein. Das nachhaltigste und am weitesten verbreitete Medium ist jedoch das Fernsehen. Es gibt mehr als zehn Fernsehsender, die vor allem aus Europa und Amerika senden. Das sind Kanäle, die sich insbesondere mit soziokulturellen, religiösen und gesellschaftlichen Themen befassen.

Dadurch, dass die Suryoye so weit verstreut leben, spielen die Medien als ein Mittel, die Menschen zusammenzuhalten, eine große Rolle. Medienorganisationen dienen als Sprachrohr für die Gefühle und Emotionen der Suryoye. Medien spielen die wichtigste Rolle bei der Zusammenführung der Suryoye, die über Amerika, Australien, Europa und andere Kontinente verstreut sind.

Um welche Sendungen geht es hauptsächlich in den aramäischsprachigen Medien?

Im Fernsehen und anderen sozialen Netzwerken werden hauptsächlich Sendungen zu Musik, Folklore, religiösen und liturgischen Themen ausgestrahlt. Darüber hinaus gibt es Programme, die sich mit gesellschaftlichen Themen befassen. Es gibt aber auch politische Sendungen. Natürlich werden zuallererst Nachrichtensendungen angeschaut.

Wonach sehnen sich die Suryoye, die in der Diaspora leben?

Als Erstes ist da natürlich die Sehnsucht nach der Heimat. Nostalgische Erinnerungen an die Vergangenheit halten das Interesse und die Sehnsucht der Suryoye nach ihrer Heimat lebendig. Der Rückgang des Gebrauchs der aramäischen Sprache im täglichen Leben – eine Folge der Globalisierung – beunruhigt die Suryoye. Deshalb fällt den Medien eine große Aufgabe zu.

Moderieren Sie Ihre Sendungen in Ihrer Muttersprache oder auf Türkisch?

Die meisten Sendungen sind auf Aramäisch. Es gibt aber auch arabische und türkische Programme. Natürlich müssen einige Sendungen in Europa auf Deutsch, Schwedisch und Englisch ausgestrahlt werden. Solche Programme werden gemacht, um sowohl junge Menschen anzusprechen als auch um ein größeres Publikum zu erreichen.

Die Suryoye sind eine Minderheit in der Türkei. Sie sind auch eine Minderheit unter den Minoritäten in Europa. Wie spiegelt sich das in Ihren Sendungen wider?

Die größte Herausforderung, vor der wir stehen, ist, dass die Suryoye so weit verstreut leben. Wir leben zwar in der Nähe bestimmter Städte, aber dass wir in ziemlich weit voneinander entfernten Regionen wie Europa, Amerika und Australien le- ben, erschwert unsere Arbeit. Beispielsweise haben wir Probleme, Gäste für unsere Sendungen zu finden. Trotzdem versuchen wir, die Möglichkeiten zu nutzen, die uns die Technik bietet, um Distanzen zu überwinden. Mit anderen Worten: Wir strengen uns an, das Unmögliche möglich zu machen, und bemühen uns um Einheit; wir kämpfen darum, unsere Kultur, Tradition und Sprache am Leben zu erhalten.

Ibrahim Baylan, Schwedens Energie- und Wirtschaftsminister, der aus einem Dorf stammt, in dem es keinen Strom gab; Reem Alabali-Radovan, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie Beauftragte für Antirassismus, die zu einer verachteten Volksgruppe gehört; oder diejenigen, die aus den Dörfern von Tur Abdin kommen, wo es keine Fußballplätze gab, und die jetzt in der schwedischen 1. Liga bei Mannschaften wie Assyriska FF und Syrianska FC den Ball laufen lassen – sie alle geben uns die Hoffnung, dass das Unmögliche möglich ist.

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