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In der Türkei zwingt der Staat die Journalisten zum Kampf

PINAR GAYIP / ETHA-REPORTERIN

Eigentlich sind es schwierige Dinge zu erzählen. Kann man wirklich wegen seiner Artikel verhaft et werden?
Leider gehöre ich zu den Journalisten in der Türkei, der wegen ihrer Nachrichten vorgeworfen wird „Mitglied einer Terrororganisation“ zu sein und „Propaganda für eine Terrororganisation“ betreibt. Der Staat zwingt uns Journalisten eigentlich zum Kampf…

Die Türkische Journalistengewerkschaft TGS (Türkiye Gazeteciler Sendikası) hatte am 10. September bekannt gegeben, dass 71 Medienmitarbeiter inhaft iert seien. Das einzige Problem von Journalisten ist es über die Wahrheit zu schreiben und dies der Öff entlichkeit zugänglich zu machen. In diesem Punkt haben wir in der Türkei einen Konfl ikt mit der Regierung. Sie will, dass wir einen Preis dafür zahlen.

Ich arbeite seit Jahren für die ETHA. Obwohl meine private und berufl iche Adressen bekannt sind, hat man die Wohnung mitten in der Nacht gestürmt, in der ich gemeinsam mit meiner Kollegin Semiha Şahin lebe. Sie hätten mich auch zur Aussage rufen können. Nach einer Woche Polizeigewahrsam erging
dann Haft befehl.

Es gibt weder gute noch schlechte Gefängnisbedingungen, wird gesagt. Allerdings habe ich durch den Briefverkehr mit Freunden in anderen Gefängnissen herausgefunden, dass das Frauengefängnis von Istanbul- Bakırköy das Gute unter den Schlechten ist.

Die Polizisten hatten uns Mitten in der Nacht im Gefängnis abgeliefert. Dort wollte man uns nackt durchsuchen. Ich glaube, dass war der wichtigste Moment. Sie wollen, dass man sich komplett nackt auszieht. In manchen Gefängnissen wird sogar der Vaginal- und Analbereich untersucht. Das haben wir natürlich nicht akzeptiert. Wir haben diskutiert, weil wir das als unmenschlich sahen. Wir kannten unsere Rechte. Am Ende haben sie es dann doch nicht getan. Wir wissen aber, dass dieses Prozedere bei anderen durchgeführt wurde.

Das Gefängnis ist ein schwieriger Ort. Nicht die Wände oder Gitter machen den Menschen zur Geisel, es sind seine Gedanken. In den 14 Monaten meiner Haft zeit habe ich versucht mich zu reproduzieren. In dem Gefängnis wurden häufig Zeitungen und Magazine verboten. Das macht es einem sehr schwer, weil man als Journalist nicht mehr das Tagesgeschehen verfolgen kann. Mit einer begrenzten Anzahl an Zeitungen versucht man zwischen den Zeilen zu lesen und dadurch etwas in Erfahrung zu bringen. Wir haben versucht bei den Kommentaren in den regierungsnahen Nachrichtensendern die Wahrheit herauszufi ltern. Wir wussten, ihre Absicht ist nicht die Wahrheit an Menschen zu bringen, sondern dass zu sagen, was die Regierung von ihnen verlangt.

Verglichen mit vielen meiner Kollegen hatte ich eine „glückliche“ Haft zeit. Meine Kollegen in Freiheit hatten sich die ganze Zeit solidarisch mit mir gezeigt. Ihre Briefe, die Artikel über mich/uns, Reportagen und das schönste, wenn ich mich im Gerichtssaal umgedreht habe und unsere Blicke sich kreuzten
und ich ihr Lächeln und ihre Wärme spürte.

Auch im Gefängnis hatte ich immer wieder über die Wichtigkeit der Solidarität gesprochen. Ich gehörte zu den inhaft ierten Journalisten, die Solidarität gefühlt und gesehen haben… Aber es gibt sehr viele inhaft ierte Journalisten, von denen wir nicht wissen, was sie durchmachen. Wir müssen für jeden einizigen Kollegen unsere Solidarität zeigen, nicht nur für diejenigen, die wir vor Augen haben. Sowohl bei der Arbeit als auch im Gefängnis, wo sie uns zu Gefangenen machen wollen, kann man nur mit dem Geist der Solidarität auf den Beinen bleiben.

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