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Die 30 Spatzen in der Zelle der inhaftierten Journalistin Ayşenur Parıldak

Es ist eine herzzerreißende Geschichte. Die junge Journalistin und Studentin der Rechtswissenschaften wird nach dem Putschversuch im Juli 2016 in der Türkei auf dem Weg in ihre Universität festgenommen. Jetzt ist sie schon seit 4 Jahren im Gefängnis. In einem Brief schreibt sie über Freundschaft, Treue und Einsamkeit.

Vergangenen Abend habe ich einen Brief von der inhaftierten Journalistin Ayşenur Parıldak bekommen. Eigentlich habe ich lange Zeit nicht über ihre Briefe geschrieben. Vielleicht könnte ein Satz von mir sie in ihrer Zelle verletzen oder sie traurig machen. Deswegen habe ich es sein lassen.

Als sie aber in ihrem letzten Brief über ihre Besucher geschrieben hat, habe ich es nicht mehr ausgehalten. Ich wollte, dass es jeder erfährt, dass für sie gebetet wird oder ihr einen Brief schreibt. Sie hatte in den ersten Tagen nach ihrer Festnahme gesagt, „vergesst und hier nicht.“ Der Hall dieser Worte ist immer noch in meinen Ohren und Herzen zu spüren und vergeht auch nicht.

Das Leben einer 26-jährigen jungen Frau wurde ruiniert. Ayşenur verbringt ihre besten Jahre im Gefängnis. Das ist etwa sehr schwieriges. Sie wird am 3. April 30 Jahre alt und immer noch im Gefängnis sein.

Obwohl sie sehr viele Schmerzen erleben musste, liest man zwischen ihren Zeilen auch sehr viel Freude. Ich wollte diese Freude mit Ihnen teilen. Wenn Gott jemanden glücklich machen möchte schickt es auch in eine kleine Zelle viele Geschenke. Ich schreibe es mit den Worten Ayşenurs, „ohne Übertreibung 30 bis 40 Spatzen“ sind in ihre Zelle geflogen. Können Sie sich das vorstellen? Sie betreten Ihre Zelle und werden von Dutzenden Spatzen regelrecht empfangen. Dann verbeugen sie sich regelrecht und verabschieden sich, in dem sie davon fliegen.

Ayşenur hatte das erlebt als sie wegen eines Besuchs rausgebracht wurde und dann in Ihre Zelle zurückgebracht wurde hatte Sie geschrieben, dass Sie geglaubt habe so etwa in ihrem Leben nie wieder zu sehen. Sie hatte geschrieben, wie ein Spatzenküken in einer Nacht auf ihrer Brust einschlief. Ayşenur liebt Tiere. In fast allen ihrer Brief schreibt sie, wie sehr sich eine Katze wünscht. Sie erzählt, dass sie sich selbst dabei erwischt, wie sie Bilder von Katzen und Hunden in Zeitungen küsst. Sie hat an ihren Schrank das Bild von „Fındık“ aufgehängt. Ich hoffe sie hat nicht erfahren, dass dieser Hund inzwischen nicht mehr lebt.

„Der Fluss der Spatzen“
Als das Coronavirus noch nicht zu so einem Albtraum wurden schrieb sie über den Fluss der Spatzen:
„In Sincan ist der Frühling angekommen. Ich bin früh aufgestanden und trinke Wasser mit Zitrone. Meinem Hals geht es nicht gut. Die Strinhöhlenentzündung diesen Winter hat mir zu schaffen gemacht. Meine Zelle könnte man zwar als warm bezeichnen aber ein Seite ist aus Glas. Deswegen gibt es ständig einen Durchzug in der Zelle. Während ich dir schreibe höre ich den Radiosender „Joy FM.“ Meine Vögel, die mich vier Jahreszeiten lang nicht verlassen haben, haben angefangen ganz süß zu zwitschern. Vielleicht hat es Yavuz erzählt. Ein Raubvogel ist gekommen. Nachdem, was ich aus Dokumentarfilmen kenne ist es ein Wanderfalke oder ein Turmfalke. Wenn dieser Vogel sich im Korridor befindet verkriechen sich die Spatzen in alle Ecken. Ohne Übertreibung, ich habe gesehen, wie 20 bis 30 Spatzen sich in meiner Zelle versteckt hatte als ich wegen eines Besuchs rausgebracht wurde. Als ich meine Zelle reinging gingen sie dann in zweier Reihen wieder raus. Ich glaube nicht, dass ich so etwas jemals wieder sehen werde. Der Fluss der Spatzen? Dann gibt es noch die unvergessliche Nacht, in der ein Spatzenküken auf meiner Brust eingeschlafen ist. Ihr wisst, ich liebe Tiere sehr. Manchmal erwische ich mich, wie ich die Bilder von Tieren in Zeitungen küsse. Ich habe sogar das Bild von Fındık dem Hund an meinen Schrank gehängt. Es wäre sehr schön, wenn ich eine Katze hätte. Es ist mein größter Wunsch.“

„Auch wenn ich es nicht sage, mein Inneres leidet sehr“
In dem Rest ihres Briefes schreibt sie über die Bücher, die sie gelesen hat und über persönliche Dinge, über die ich mit ihr gesprochen hatte. Sie schickt ganz viele Grüße an ihre Freunde. Ayşenur schreibt ihre Namen einzeln auf. Sie schreibt auch über die mangelnde Treue einiger ihrer Freunde. Sie hat Recht. In dieser Welt schulden die, die in Freiheit sind, denen etwas, die nicht frei sind, und die jenigen die glücklich sind, denjenigen etwas, die unglücklich sind. Aber sie möchte keine Gnade oder Mitleid, sie erwartet Freundschaft und Treue.

An ihre Freunde, die ins Ausland flüchten konnte schreibt Ayşenur: „….es gibt solche ,die sogar dort Angst haben….die nicht einmal einen Gruß schicken. Was soll das? Was für ein starkes Gefühl ist blocß diese Angst?Machiavelli hatte gesagt, dass Angst das stärkste Gefühl ist, womit man Gesellschaft ganz einfach kontrollieren kann. Das stimmt. Diejenigen, die ihr Mitleid und ihre Angst in ihrem Inneren unterdrücken, sind sehr glücklich…Auch wenn ich es nicht sage, leidet mein Inneres sehr. Ich glaube, untreue Menschen werden etwas schlechtes erleben, was sie wieder ins Gleichgewicht bringen wird. Dann werden sie auch die Schmerzen verstehen. Hier so lange sein zu müssen ist eines der größten Schmerzen, die man einem Menschen zufügen kann. Es reicht manchmal aus auf einem bunten Papier von dir ´ich vermisse dich´zu lesen. Man vergisst alles um sich herum für einige Stunden…Anscheinend muss ich diese Schmerzen durchmachen…“

Ayşenur Parıldak ist eine Journalistin, die gerade mit ihrem Beruf angefangen hat. Sie war eine Jura-Studentin. Als sie im Juli 2016 für ihre Klausur im letzten Jahr ihres Studiums zur Universität Ankara ging, wurde sie dort verhaftet. Weil sie bei der per Dekret geschlossenen Zeitung „Zaman“ gearbeitet hat, weil sie in den sozialen Medien die Regierung kritisiert hat, weil ein „Fuat Avni“ ihr in den sozialen Medien gefolgt ist, weil ihr der absurde Vorwurf gemacht wird, die Messenger App „ByLock“ genutzt zu haben, sitzt Ayşenur Parıldak seit 4 Jahren im Gefängnis von Ankara Sincan. In den Türkei sitzen weiterhin rund 150 Journalistinnen und Journalisten hinter Gittern.

Quelle: Sevinç Özarslan-BOLD Medya

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