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Der Preis, die Wahrheit zu sagen

Ranjeni Munusamy ist seit über 20 Jahren Journalistin in Südafrika. Zuvor arbeitete sie als Mitherausgeberin und Kolumnistin bei Sunday Times und Daily Maverick.

In seinem 2019 erschienenen Buch „The Enemy of the People: A Dangerous Time to Tell the Truth“ erzählte der CNN-Moderator und Chefkorrespondent
Jim Acosta einen öffentlichen und außergewöhnlichen Austausch zwischen ihm und dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump.

Das Ereignis geschah in Charlottesville, Virginia im August 2017, als die Rassisten marschierten, um die Rechtsextremen und Neo-Nazis zu vereinen und mit Gegendemonstrantinnen zusammenstießen. Anstatt die rassistischen Gangster zu verurteilen, sagte Trump, dass Hass, Fanatismus und Gewalt „auf vielen Seiten“ waren. Die Reporterinnen, einschließend Acosta, zogen Trump zur Verantwortung dafür. Das brachte der ehemalige Präsident dazu, seine legendäre und kindische Theatralik zurückzugreifen, was seine Präsidentschaft defi nierte.
„Du bist Fake News!“, beschimpfte er Acosta.
Der Journalist ließ nicht locker und ging am nächsten Tag erneut gegen Trump an und erlebte den folgenden Austausch:
TRUMP: Ja, ich glaube, dass beide Seiten Schuld haben. Wenn du auf die beiden Seiten guckst – ich denke, dass die beiden Seiten Schuld haben. Und daran habe ich überhaupt keinen Zweifel, Sie haben auch keinen. Das hätten Sie sonst schon gesagt.
ACOSTA: Die Neo-Nazis fi ngen damit an. Sie protestierten in Charlottesville …
TRUMP: Entschuldigen Sie. Sie bezeichneten sich nicht als Neo-Nazis – und da gab es sehr schlechte und sehr guten Menschen in dieser Gruppe. Auf beiden Seiten. Sie waren einfach Menschen.
ACOSTA: Nein, Herr Präsident. Es gab keine guten Menschen unter den Neo-Nazis. Wie Acosta in seinem Buch erklärte, stellte er keine Fragen an den Präsidenten. Dies ist was ein Großteil der Welt für die Rolle von Journalist*innen hält. Stattdessen konfrontierte er Trump mit der Wahrheit.


Das ist leichter gesagt als getan. Besonders auf einer Welt wo Desinformation, populistische Rhetorik, gesponsorte Propaganda, Chauvinismus, Online-Belästigung und Verleugnung herrschen.

In diesem Zusammenhang können die Journalis innen das Thema „auf vielen Seiten“ nicht einfach fragen und berichten. Die Mainstream-Medien stehen an der vordersten Front im globalen Informationskrieg und müssen daher Beschützer der Wahrheit sein. Jahrelange gefährliche Desinformationskampagnen manifestierten sich in vielen Teilen der Welt in schwierigen politischen Konsequenzen – vom Brexit in Großbritannien über den Aufstieg des weißen Nationalismus in Europa und den USA, bis hin zum Angriff auf die Bürgerrechte in der Türkei. Sich gegen die Tyrannen, Rassisten, Schurken, Frauenfeinde, Despoten, Missbraucher, Impfgegner und Klimawandelleugner zu stellen ist eine schwere Belastung für Journalistinnen.

Es ist besonders schwierig, diejenigen zu konfrontieren, die Macht haben. Manche zahlen den Preis mit ihrem Leben und ihrer Freiheit. Das ist was den Hunderten von Medienmitarbeiterinnen passierte. Die anderen wurden mit Belästigung und Rufmord konfrontiert. Journalistinnen bekamen Vergewaltigungsdrohungen und erlitten sexuelle Übergriffe. In einer starken Demokratie haben die Medien und die Bürgergesellschaft die Möglichkeit, sich zu wehren. Nach einem anderen unleidlichen Austausch wurde Acostas White-House-Akkreditierung widerrufen. Danach ging es vor dem Gericht weiter und sein Presseausweis wurde in einer Woche wiederausgestellt. In China, der Türkei und vielen Ländern Afrikas wäre der Versuch, die Medienfreiheit und andere bürgerlichen Freiheiten gerichtlich wiederherzustellen , ein mutiger Schritt. 2018 war ich unter fünf Journalistinnen, die durch das
South African National Editors Forum vorm „Gleichheitsgericht“ (Equality Court) unseres Landes vor einer Menge beleidigender und gefährlicher Bedrohungen von der zweigrößten oppositionellen Partei „The Economic Freedom Fighters (EFF)“ und ihren Anhängern Schutz suchten.
Der Antrag war aber anscheinend fehlerhaft, da er statt an das Gleichheitsgericht, an ein normales Gericht gerichtet
werden musste. Laut südafrikanischem Grundgesetz brauchen Journalistinnen keinen Spezialschutz gegen Diskriminierung. Der unglückselige Antrag ermutigte nur die EFF und ihre Anhänger. Es führte bei einigen Journalistinnen zu einer sichtbaren Selbstzensur, um sich vor Angriffen zu schützen.
Manche versuchten die Bedrohungen herunterzuspielen und behaupteten, dass sie keine „Milchbubis“ sind und die Angriffe gegen die Medien in den anderen Teilen Afrikas deutlich schlimmer waren.


Während des Einspruchs gegen den Antrag verkündete der Justitiar der EFF, dass die Journalistinnen sich dran gewöhnen sollen, mit Angriffen zu leben. Leider denken manche Kolleginnen genauso. Eine der Konsequenzen der Covid-19-Pandemie ist, dass die Menschen über den emotionalen Tribut von Isolation, Krankheit und Tod offener sprechen konnten.

Über das Thema Angst und Stress sprachen die Journalistinnen auch offener. Einige von ihnen, die früher draufgängerisch waren, erkennen jetzt wie wichtig die psychische Gesundheit und Selbstsorge im Beruf sind. Seit dem Ausbruch von Covid-19 fühlten die Menschen emotionale Erschöpfung, die sich von anderen Menschen distanzieren und mit einer schweren Krankheit und Tot kämpfen mussten, ihren Lebensunterhalt verloren und sich an ein neues Leben gewöhnen mussten. Hoffentlich gibt es bald Erholung und Normalität, wenn mehrere Menschen sich impfen lassen. Wird es aber beim Journalismus auch Erholung geben? Wird es normal sein, die Wahrheit zu zeigen und ohne Angst die Machthaber zur Verantwortung zu rufen? Oder müssen die Journalistinnen immer die Belastung tragen, ungeachtet der Konsequenzen?

Für die meiste Zeit meiner journalistischen Karriere kannte ich die Antwort für diese Frage. Jetzt tue ich es nicht mehr.

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