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Bälle, die in den Hof fallen

„Ich war mit dem Jorunalisten Ziya Ataman gemeinsam im
Hochsicherheitsgefängnis von Van inhaft iert. Wir haben aus verdorbenem Brot und Zeitungspapier Bälle gebastelt und darin Zettel
mit Notizen reingetan. Dann haben wir die Zellennummer draufgeschrieben und sie von Hof zu Hof geworfen. Das war unsere
Art miteinander zu kommunizieren.“

İdris Yılmaz / FREIER JOURNALIST

Der Journalist Ziya Ataman gehört zu den Journalisten, die in der Türkei Opfer der seit Jahren anhaltenden Einschüchterungs- und Unterdrückungspolitik gegen den kurdischen Journalismus geworden sind. Ataman sollte zum Schweigen gebracht werden und gehorchen. Deswegen wurde der Journalist am 11. April 2016 in Van festgenommen. Seit über 4 Jahren ist der Journalist hinter Gittern und wartet dort auf seine Freiheit. Das ist die Geschichte von Ziya Ataman… Ziya Ataman hat als Journalist zuerst in den Zeitungen „Azadiye Welat“ und „Özgür Gündem“ gearbeitet. Zunächst aber arbeitete er als Zeitungsverteiler. Wegen der Unterrückung durch die Sicherheitsbehörden ging er dann später dann zunächst nach Diyarbakır und dann nach Van. Dort wurde er festgenommen, als er für die Nachrichtenagentur „DicleHaber Ajansı“ DIHA arbeitete. Einen Tag nach seiner Festnahme wurde ihm Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen.

Zeugen sagten unter Folter aus Als Beweismittel gab es nur einige Zeugenaussagen. Diese Personen hatten später beteuert ihre Aussagen unter Folter gemacht zu haben und zogen deswegen Aussagen zurück. Damit wurde das einzige Beweismittel der Staatsanwaltschaft unbrauchbar. Das hat aber nichts geändert. Ataman wurde dennoch nicht freigelassen. Erst 20 Monate nach seiner Festnahme wurde die Anklageschrift für den Journalisten im Dezember
2017 fertiggestellt.

Richtige Verteidigung nicht möglich Ataman konnte an seiner Gerichtsverhandlung über das Videokonferenzsystem SEGBIS von seinem Gefängnis aus teilnehmen. Wegen technischer Probleme konnte er sich nicht richtig verteidigen. Er konnte nur einige Minuten sprechen. Damit die Unschuld des Journalisten nicht bewiesen werden konnte, wurden die Umstände erschwert und es wurde schwerer psychischer Druck auf den Journalisten ausgeübt.
14 Jahre und 3 Monate Gefängnis Das Urteil wurde am 24. September 2019 gefällt. Seine Kollegen und Verteidiget erwarteten einen Freispruch. Das ist aber
nicht passiert. Ohne konkrete Beweise wurde der Journalist Ziya Ataman am Ende zu 14 Jahren und 3 Monaten Gefängnis verurteilt.

Angeschlagener Gesundheitszustand Seit über vier Jahren ist Ataman jetzt im Gefängnis und kämpft mit gesundheitlichen Problemen im Darmberich.
Während der Haftzeit hat sich sein Gesundheitszustand weiter verschlechtert. Und eine Therapie ist momentan sehr schwierig.

Kein faires Gerichtsverfahren Während der gesamten Haftzeit von Ataman wurden wir Zeugen, wie auch die Rechte anderer Journalisten, Politiker
und Intellektueller mit den Füßen getreten wurden. In den Gerichtsprozessen sehen wir, wie die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt wird. „Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie
erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.“ Mit dem ersten Satz von Artikel 6 der Konvention wird damit jedem ein faires Verfahren garantiert, die
vielen verwehrt bleibt.


Unterschriftenkampagne
Damit Ataman aus dem Gefängnis entlassen wird, wurde eine Unterschriftenkampagne auf cahnge.org organisiert. Sein Kollege Selman Keleş hat diese Aktion ins Leben gerufen, um darauf aufmerksam zu machen, dass „Ataman unschuldig ist, er keine ausreichende medizinische Versorgung im Gefängnis
bekommt und er keinen faires Gerichtsverfahren“ hatte.

„Jahre später im Gefängnis getroffen“
Ich bin seit Jahren mit Ziya befreundet. Es war im Januar 2016. Ich saß wegen meiner Artikel im Gefängnis und sollte wieder entlassen werden. Es war damals sehr kalt. Mein Körper, der zwischen Betonwände eingesperrt war, hatte erstmals wieder Kontakt mit hochkonzentrierter Frischluft. Als die kalte Luft mein Gesicht berührte hatte, zitterten meine Beine und Körper. Ein Gruppe von Journalisten, unter ihnen auch Ziya, hatte mich empfangen. Das war unser erster Kontakt. Wir hatten uns umarmt, als wären wir seit jahrzehnten Freunde. Diese Freundschaft wurde immer stärker. Später wurde unsere Freundschaft getrennt, weil wir beide erneut ins Gefängnis kamen. Jahre später begegneten wir uns wieder im Hochsicherheitsgefängnis von Van.

Die Bedingungen im Gefängnis sind gnadenlos. In dem kleinen Hof darf es nicht einmal eine kleine Pflanze geben. Die Gefängniswärter haben nach ihrer morgendlichen Zählung ihr Augenmerk in die Ecken des Hofes gerichtet. Pflanzen und Insekten, mit denen man sich unterhalten konnte, wurden sofort entfernt. Trotz der schwierigen Bedingungen hatten wir dennoch Gespräche mit Ziya nach der Nachtzählung. Es waren keine herkömmlichen Gespräche. Wir haben uns schriftlichunterhalten.

Bälle, die in den Hof fallen
Wir bauten uns Bälle aus Zeitung und verdorbenem Brot. Darin haben wir unsere Nachrichten reingetan, die Zellennummer draufgeschrieben und soweit es ging in die anderen Höfe geworfen. Das war unser Kommunikationsweg. Damit die Aufseher nicht unsere Botschaftszettel in die Hände bekamen, haben wir diese Bälle nach der nächtlichen Zählung uns gegenseitig zugeworfen. Wir haben uns danach starken Tee gemacht und dabei diese Zettel gelesen und beantwortet. Die Stille in der Zelle fand dadurch ein Ende. Wir hatten uns bei einem solchen „Gespräch“ erneut getroffen. Ich und Ziya haben die Wörter sehr klein geschrieben. Wir haben uns darüber geschrieben, was in unserem Inneren geschieht. Ziya hatte über seine Träume geschrieben, was er tun würde, wenn er wieder in Freiheit käme. Ziya hatte das ungerechte Rechtssystem kritisiert, dass ihn ins Gefängnis warf. Er hatte seine Botschaften
mit „Guten Tag Heval Idris, wo waren wir in unserem Gespräch nochmal stehen geblieben,“ angefangen. Ich konnte seine Beschwerden in seinen Botschaften spüren. Es sind jetzt mehr als 1.600 Tage vergangen, dass Ziya ins Gefängnis geworfen wurde.
Ich vermisse ihn sehr. Ich wünsche mir sehr, dass er schnellstmöglich wieder in Freiheit kommt.

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